Wie du dich mit deinem Inneren Kritiker versöhnst und endlich in die Puschen kommst!
Aktualisiert: 16. Aug. 2021

Ich glaube jede:r Kreative hat das schon mal erlebt: Es juckt in den Fingern mal wieder zu malen, irgendetwas Cooles zu erschaffen, was vorher noch nie da gewesen ist. Sehnsüchtig denkt man an die Malmittel der Wahl, einen ruhigen Nachmittag mit sonst keinerlei Verpflichtungen, wo man sich der Kreativität komplett widmen kann. An das welterschütternde Ergebnis, bei dem Kritiker vor Begeisterung reihenweise in Ohnmacht fallen werden.
Apropos Kritiker: Da ist diese blöde, piepsige Stimme, die, je näher du ans tatsächliche Malen kommst, immer lauter wird. Zuerst kaum wahrnehmbar, bringt dich dieses Dauergenörgel dazu immer mehr Referenzbilder rauszusuchen, weil du dich einfach nicht für einen Stil entscheiden kannst.
Ganz stilvoll in Schwarz und Weiß? Oder doch lieber dieses pastose, halb abstrakte mit Spritzeffekten? Oh man, aber der Stil von diesem einen Künstlers, den du letztens noch entdeckt hast, der war auch super, das willst du auch mal ausprobieren.
Schnell mal Social Media aufmachen und nach dem Profil suchen. Leider hast du den Namen vergessen, ach dann scrollen wir doch einfach mal durch alles und wenn dabei drölfzig andere spannende Profile auftauchen, ist doch super. Noch mehr Inspiration für dein weltbewegendes Bild!
Stunden später, der Kopf ist schon leicht schwer, findest du das gesuchte Profil – und erinnerst dich beim Anblick dran, dass das der eigentliche Grund war, wieso du vor’m Rechner hängst, statt zu malen. Die Acrylfarben sind ja schon in der Palette, so is‘ nicht. Du bist vorbereitet. Bist quasi auf dem Sprung, es fehlt nur noch eine klitzekleine Kleinigkeit, bis du anfangen kannst – und die ist essentiell! Der Geist ist willig! Und damit die Farben nicht antrocknen bei deinem super-kurzem, super-wichtigem Recherchieren, sprühst du sie auch schön brav alle 10 bis 50 Minuten mit der Sprühflasche ab, die du vorhin von deinen Pflanzen geklaut hast. Die könnten eigentlich auch mal wieder gegossen werden.
Aber zurück zum Wesentlichen: Das Profil des neulich entdeckten Künstlers. Ja, die Bilder sind super. Wer ist das überhaupt? Gibt’s da noch mehr Infos? Oha. Dieser Mensch ist gerade mal SO JUNG?? Oh man, wie hast DU denn in dem Alter eigentlich noch mal gemalt? Mal vergleichen. Irgendwo hattest du doch einen Ordner mit deinen alten Sachen. Uff. Ahaha, dieses alte Bild, da kannst du dich noch genau dran erinnern! Oh! Und zu dem gibt es da diese Geschichte! Hmm, wolltest du daraus nicht einen Comic machen? Da ist ja noch ein Ordner! Spannend. Aber Moment mal: Stil! Den Stil und den Skill wolltest du dir angucken und mit dem Jüngling vergleichen. Hm. Ok. Ernüchternd. Ach man, diese Jugend heutzutage. Das liegt alles bestimmt dran, dass sie alle so visuell aufgewachsen sind und schon von klein auf die ganzen Tricks in tausend leicht verständlichen Tutorials vorgekaut bekommen haben, wo unsereins sich das alles noch hart erarbeiten musste. Wenn ICH damals diese Ressourcen gehabt hätte, ja, da wär ich doch bestimmt auch ein Wunderkind geworden. Oder etwa nicht?
„Vielleicht hast du einfach kein Talent“, kichert das Talentteufelchen auf deiner Schulter, während es einen Stift anspitzt.

Zeit die Palette mit den angetrockneten Farben wieder anzusprühen.
Oh man, ich werde schon allein beim Schreiben gestresst. Sag bitte, dass ich nicht die Einzige bin, die sich ab und zu in so einer Szene wiederfindet!
Ich gehe jetzt mal davon aus, du sagst ja, das kennst du auch. (Danke!)
Aber warum ist das so, warum hat man so Lust etwas zu machen - und tut es dann doch nicht, sondern schiebt es ewig vor sich her? Und wie kann man gegen diese kreative Prokrastination vorgehen?
Ich denke es liegt vor allem an zwei prägnanten Faktoren: Der empfundenen Relevanz und dem damit verbundenen Perfektionsdrang... oder zwang.
Klingt kompliziert, ist es im Grunde gar nicht.
Du willst malen, du hast den Erschaffungsdrang und ich vermute, dass dir diese Eigenschaft an dir extrem wichtig ist. Vielleicht identifizierst du dich sogar damit, bist unter deinen Freunden als der/die Kreative bekannt. Vielleicht wurdest du in der Abschlusszeitung deiner Schule als „der Künstler/die Künstlerin“ tituliert und somit auf einen Aspekt deiner Persönlichkeit reduziert. Bei mir ist es zumindest so, dass das kreative Erschaffen ein entscheidender Teil von mir ist und mir das auch so von meinem Umfeld immer wieder zurückgespiegelt wird. Und auch, wenn ich keinem irgendetwas beweisen muss und das auch gar nicht kann, wenn ich da komplett alleine in meinem Atelier rumsitze und etwas male, fühlt es sich doch manchmal fast so an. Als wäre da ein Publikum, dass mit etwas, dass weniger als überragend ist, ganz und gar nicht zufrieden wäre.
Da kommt der Perfektionismus ins Spiel. Es ist dir so unheimlich wichtig dich visuell auszudrücken, daher muss es einfach perfekt werden. Es kann nicht weniger als perfekt werden, sonst wird es dem Ganzen nicht gerecht. In deinem Kopf, in deiner Vorstellung IST es perfekt.
Aber, hast du schon mal daran gedacht, dass Visionen und Dinge in der physikalischen Welt einfach zwei völlig verschiedenen Medien sind?
Es ist nicht so richtig vergleichbar. Wie ein und dasselbe Motiv in Öl und in Graphit. Ist eins „objektiv“ besser?
Und apropos Perfektion: Unterbewusst WEIßT du, dass es die nicht gibt. Wie kannst du also anfangen etwas zu machen, was perfekt werden soll, wenn das Ergebnis realistisch unerreichbar ist?
Du gerätst also in eine kognitive Dissonanz. Das, was du von dir erwartest, von dem weißt du, dass es nicht möglich ist. Die beiden Dinge stehen komplett im Widerspruch zueinander. Kein Wunder, dass wir prokrastinieren!
Und dann ist da auch noch der innere Kritiker, den ich gerne das „Talentteufelchen“ nenne und mir als pelziges kleines Mistviech vorstelle, dass dir Gemeinheiten ins Ohr flüstert, dich mit anderen negativ vergleicht, dich klein hält – und auch mal gerne mit spitzen Stiften piekst. So zur privaten Belustigung vermutlich.
Ich glaube jeder hat so einen in sich. Bei manchen ist er riesengroß und bösartig, bei anderen eher klein und ist’s gewohnt meistens nicht ernst genommen zu werden – was ihn aber nicht davon abhält, trotzdem ab und an mal was Fieses von sich zu geben. Er hat ja schließlich einen Job zu erledigen.
Aber was für eine Art Job ist es überhaupt? Wieso haben wir so etwas in unseren Köpfen, das uns klein halten will?
Im Grunde geht es dem Inneren Kritiker nicht darum dich fertig zu machen, nein, das kleine Miststück liebt dich! Es liebt dich nun leider nur genauso wie du bist. Nichts soll sich verändern! Es ist ein unheimlich faules kleines Ding und scheut Arbeit aller Art. Es will, dass du deine Erwartungen möglichst klein hälst, damit du niemals enttäuscht wirst. Dass du dabei auch keine Erfolgserlebnisse hast, ist ihm egal. Alles soll so bleiben wie es ist! (Hmm, vielleicht ist das Talentteufelchen so wie der eine Typ von Frauentausch…..?)
Würdest du auf ihn hören, hättest du weder Träume noch Wünsche, noch Antrieb. Du wärst vielleicht nicht zufrieden – aber du wärst auch nicht unbedingt unzufrieden. Klingt nach einem ultralangweiligen Leben, oder? Denn wie sagt man: „The magic happens outside your comfort zone“.

i.
Wir sollten dem Talentteufelchen seine Gluckenhaftigkeit auch nicht übelnehmen, er kann auch nicht raus aus seiner Haut. Aber wir sollten versuchen ihn wahrzunehmen, wenn er laut wird. Denn er ist der Indikator, dass da gerade eine Gelegenheit ist. Eine Gelegenheit zu lernen, inspiriert zu werden und zu wachsen. Halte inne, wenn du ihn hörst, danke ihm für seine Sorge um dich und wachse über dich hinaus!
Aber jetzt mal ganz konkret: Was tun, wenn man sich wieder mal beim kreativen Prokrastinieren erwischt?
Es gibt drei Tricks, mit denen ich gute Erfahrungen gemacht habe und die du ausprobieren könntest:
Tipp 1
Setz dir einen Timer für eine SEHR KURZE Zeitspanne. So zwischen 2 und 20 Minuten ist optimal. In dieser Zeit malst du. Ohne Diskussionen. Sobald der Wecker klingelt kannst du dir auf die Schulter klopfen, denn du hast dein Ziel erreicht. (Wenn du willst, kannst du natürlich weitermalen. Musst du aber nicht, du hast dein Ziel so oder so erreicht und kannst daher völlig zurecht mit dir zufrieden sein.)
Tipp 2
Schlecht zeichnen ist Trumpf. Zeichne etwas, und tue es bewusst so schlecht, wie du nur kannst. Das macht Spaß, du kommst ins Tun und du hast keinen Druck, der dich abhalten könnte anzufangen. Nicht alles, was du tust, muss ein Meisterwerk werden. (Wirklich nicht!) Manchmal liegt der Spaß darin etwas besonders schlecht zu machen. Schon mal auf einer Bad Taste Party eingeladen gewesen und einen Heidenspaß daran gehabt dein Outfit zusammenzustellen? Siehste.
Tipp 3
Frag jemanden nach einem Adjektiv (Wiewort), einem Verb (Tätigkeitswort) und einer Farbe. Daraus zeichnest du etwas. Zum Beispiel: aaltglatt, schleichen, Rot.
Du kannst auch alle drei Tipps kombinieren. Du fragst nach den drei Wörtern, setzt dir einen Timer und zeichnest besonders schlecht! So ein Skizzenbuch voll mit solchen Übungen ist bestimmt mega!
Was kennst du noch so für Tricks, wie man ins Tun kommt? Erzähl mir davon!
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